| | Ist ein Pflichtpfand auf Einweg-Getränkeverpackungen der richtige Weg? Mehrwegflaschen aus Glas und Kunststoff sind für die Umwelt auch weiterhin besser als Dosen und die meisten anderen Einwegverpackungen von Getränken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ökobilanz für Getränkeverpackungen, die Umweltminister Jürgen Trittin und der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, in Berlin vorstellten. Danach sollten die Verbraucher vor allem Getränke in Dosen aus Weißblech und Aluminium meiden, die zu einem immer größer werden Problem führten. Aus Umweltsicht seien Mehrwegflaschen aus Glas oder Kunststoff immer zu bevorzugen, sagte Trittin. Allerdings habe die Untersuchung auch ergeben, dass der häufig für Milch und Getränke ohne Kohlensäure eingesetzte Verbundkarton ökologisch ebenso gut wie die Mehrwegsysteme abschneide. Der Anteil von Mehrwegverpackungen ist in den vergangenen Jahren unter die gesetzlich geforderte Mindestquote von 72 Prozent gesunken. Deshalb werde es ab dem kommenden Jahr zumindest für Einwegverpackungen bei Bier und Mineralwasser voraussichtlich ein Pflichtpfand geben, sagte Trittin. Dies sehe das geltende Recht vor.
Problematisch dabei ist, das die alte Verpackungsverordnung zwischen Bier, Mineralwasser und Erfrischungsgetränke unterscheidet. Im Gegensatz zu Bier und Mineralwasser wird bei Erfrischungsgetränken die Mehrwegquote sehr wohl erreicht. Ein Pflichtpfand für Einwegverpackungen von Erfrischungsgetränke lässt sich deshalb nach der alten Verpackungsverordnung nicht durchsetzen. Das könnte für Verbraucher die recht absurde Folge haben, das sie Bierdosen in Zukunft am Pfandautomaten entsorgen, während sie Coladosen in den (Recycling-)Müll werfen. Trittin schlägt zwei mögliche Auswege aus dem Dilemma vor: - Alle ökologisch nachteiligen Verpackungen - Glas-Einwegflaschen und Dosen - werden mit einem Pfand belegt und von den Läden zurückgenommen. Dann ginge ihr Anteil voraussichtlich stark zurück. Es würde dann nicht mehr nach Getränken unterschieden, sondern nur noch nach mehr oder weniger umweltfreundlich.
- Die für eine Pfandfreiheit erforderliche Mehrwegquote wird neu bestimmt:
relativ umweltfreundlichen Getränkekartons werden rechnerisch den Mehrwegverpackungen zugeschlagen und die Mehrwegqote auf 75 bis 80 Prozent angehoben.
Trittin plädiert für die 1. Variante, will aber zunächst beide Lösungen mit Verbänden, Fraktionen und Ländern erörtern. Eine durch den Bundesrat zustimmungspflichtige Änderung der Verpackungsverordnung ist in beiden Fällen notwendig.
Der Deutsche Naturschutzring DNR, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände begrüßte den von Bundesumweltminister Jürgen Trittin beabsichtigten Pflichtpfand für Einweg-Flaschen und Getränkedosen. DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen: "Endlich zeigt der Umweltminister seine Zähne, um der Dosenflut Einhalt zu gebieten." Die Einführung eines Pfandes auf alle ökologisch schädlichen Einwegverpackungen trägt nach Auffassung des DNR dazu bei, den Mehrweganteil zu stabilisieren und auszubauen, und zwar aus drei Gründen: - Das Einwegpfand beseitigt die subjektiven Mehrkosten von bepfandeten Getränken beim Getränkekauf.
- Ein Pfand auf Einwegdosen und -flaschen für Getränke wird systembedingt die zunehmende Vermüllung unserer Landschaft mit Getränkeverpackungen weitestgehend verhindern. Niemand schmeißt "Geld" aus dem Autofenster.
- Durch die sortenreine Erfassung des Leergutes ist ein echtes Stoffstrommanagement - wie es das Kreislaufwirtschaftsgesetz vorschreibt - möglich.
Die Einführung des Zwangspfands für Dosen fordert auch die VERBRAUCHER INITIATIVE als Konsequenz aus der vorgelegten Ökobilanz. Der Bundesverband kritischer Verbraucherinnen und Verbraucher sieht darin die zur Zeit einzig realistische Möglichkeit, die Dosenflut einzudämmen. Eine Abgabe auf ökologisch schädliche Einwegverpackungen wäre zwar nach Ansicht der VERBRAUCHER INITIATIVE das bessere Modell. Doch angesichts der Verweigerungshaltung der Einweg-Lobbyisten stellt der Verband klar: Die Zeit für theoretische Diskussionen ist abgelaufen. Jetzt muss gehandelt und die Verpackungsverordnung umgesetzt werden. Sonst passiert am Ende nichts - und das wäre das Schlimmste, was passieren kann.
Das Bündnis für Mehrweg, ein Zusammenschluss von Handel, Abfüllern, Industrie, Umwelt- und Verbraucherverbänden, favorisiert eine Abgabenlösung gegenüber dem Pflichtpfand. Die Abgabe soll sich an dem in der Verpackungsverordnung verankerten Pflichtpfand in Höhe von 0,50 DM für Einwegverpackungen bis 0,5 l Füllvolumen orientieren und zeitlich nicht später als zum 01.07.2001 in Kraft treten. Das Bündnis für Mehrweg fordert Umweltminister Jürgen Trittin auf, keinesfalls dem Druck der Spitzenverbände der deutschen Industrie zu Lasten von Umwelt, Verbrauchern und der gesamten Volkswirtschaft, nachzugeben.
Der BUND-Experte für Abfallwirtschaft, Walter Jungbauer warnte, dass die Pflichtpfandregelung nur kurzfristig zu einer Erholung führen wird. Sobald die Getränkewirtschaft das logistische Problem der Beseitigung der Einweg-Flaschen aus dem Einzelhandel gelöst habe, würde dieser Anteil wieder zunehmen, da deren Beseitigung billiger bleibe als das Mehrwegsystem. Einweg-Rücknahmeautomaten, die Flaschen und Dosen sofort schreddern, ermöglichten eine für die Unternehmen kostengünstige Entsorgung, die gleichwohl die Umwelt mit Müll belaste. Jungbauer prognostizierte, dass bei einer Einführung dieses Systems Glas-Mehrwegflaschen völlig vom Markt verschwinden werden. Allenfalls Plastik-Mehrwegflaschen könnten sich dann noch behaupten; diese seien jedoch wegen der kürzeren Gebrauchsdauer weniger umweltfreundlich. Auch Jungbauer favorisiert stattdessen eine Abgabenlösung: Der BUND schlägt eine Pflichtabgabe von einer Mark pro Liter Füllvolumen beim Hersteller vor. Dies bedeute einen beständigen wirtschaftlichen Vorteil für diejenigen Verpackungen, die am häufigsten wieder verwendet werden, da die Pflichtabgabe nur ein Mal gezahlt werden müsse.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände AgV und der Naturschutzbund NABU sehen einen Pflichtpfand kritisch, da der Handel im Falle einer Pfandregelung für Einwegbehälter Rücknahmeautomaten für Dosen und andere Einwegverpackungen aufstellen könnte, die sich erst rechnen würden, wenn sie benutzt werden. Umweltverträglichere Mehrwegverpackungen würden nach Einschätzung von NABU-Abfallexpertin Susanne Hempen. dann endgültig vom Markt verdrängt. Deshalb sei es nötig, eine einfache neue Regelung anzustreben, die eine deutliche Lenkungswirkung zugunsten ökologisch vorteilhafter Verpackungen habe und zugleich Anpassungen an wissenschaftliche Erkenntnisse und technischen Fortschritt ermögliche. Für NABU und AgV können zufriedenstellende Lösungen nur auf der Abkehr von der bisherigen Einteilung in Einweg- und Mehrwegverpackungen basieren. Vielmehr müsse in Zukunft konsequent zwischen ökologisch vorteilhaften und umweltschädlichen Verpackungen unterschieden werden, wobei es eben auch förderwürdige Einwegverpackungen gäbe.
Datum: | 14. 8. 2000 | Autor: | WW |
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